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Old 07-29-2018, 12:34 PM
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Default Im Internat – Hunger

Hunger


Susanne gehört der harten Zucht an. Dies bedeutet, dass die Nahrungszufuhr in der Regel stark eingeschränkt ist. Angehörigen der harten Zucht stehen allerhöchstens nur zwei tägliche Mahlzeiten zu: das Frühstück und das Mittagessen. Beide Mahlzeiten fallen standardmäßig kärglich aus, weshalb die Frauen aus der harten Zucht permanenten Hunger verspüren. Zur Disziplinierung und Bestrafung, zur Unterstützung anderer erzieherischer Maßnahmen, zur Vorbereitung auf besondere Ereignisse und zur Einstimmung auf diese oder einfach mal so fällt schon mal die eine oder andere Mahlzeit aus. Man benötigt keinen Grund, aber man findet leicht einen, um einer Studentin des Internats – harte Zucht oder nicht – Essensrationen zu kürzen oder zu streichen. Kein Wunder, dass alle Studentinnen eher schlank und unterernährt sind; zu dick (im medizinischen Sinn) ist jedenfalls Keine.

Dabei gibt es – nicht nur, aber auch – für Angehörige der harten Zucht schon einige Gründe, das Essen zu rationieren:

Da ist zunächst natürlich die Körpermasse. Der so genannte Body-Maß-Index (BMI), welcher sich aus Körperhöhe („Größe“) und Körpermasse („Gewicht“) berechnet, ist schon bei den „gewöhnlichen“ Studentinnen des Internats eher zu niedrig angesetzt. Achtzehn ist hier die absolute Obergrenze, während für gewöhnlich Werte unter zwanzig, minimal neunzehn als medizinisch sinnvolle Untergrenze gelten. Neueste Erkenntnisse zeigen sogar, dass in Bezug auf ein langes und gesundes Leben ein Body-Maß-Index zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig erstrebenswert ist. Für die Ausübung mancher, besonders begehrter Sportarten legt das Internat auch etwas niedrigere Obergrenzen für die Teilnehmerinnen fest. Ebenso hängen bestimmte Privilegien wie Ausflüge oder Freizeiten von gewissen Gewichtsgrenzen ab; schließlich will man keine „schwabbeligen, fetten“ Studentinnen außerhalb des Internats sehen.

Nicht so in der harten Zucht: Bei einem Body-Maß-Index von vierzehn ist für eine Angehörige der harten Zucht Schluss nach oben, ein Wert, der von normalen Menschen ohne Essstörungen praktisch nicht zu erreichen ist. Kein Wunder, dass die Studentinnen der harten Zucht bis auf die Knochen abgemagert sind. Nicht nur die Rippen sind deutlich zu erkennen, die Gesichter sind schmal und hohlwangig und sprechen jedem Klischee von menschlichen Gesichtern Hohn. Zusammen mit der Verformung des Oberkörpers durch den systematischen Korsettgebrauch (oder Missbrauch?) sehen die Frauen aus der harten Zucht niemandem so unähnlich wie einem gesunden Menschen.

Zweithäufigster Grund für Essensentzug ist die mentale Vorbereitung auf irgendein „Ereignis“ – und das kann alles sein. Häufig müssen die jungen Frauen, bevor sie besonders beansprucht oder gequält werden sollen, für einige Tage oder eine ganze Woche auf das Mittagessen oder beide Mahlzeiten verzichten. Selten – aber es kommt vor – werden auch positive Ereignisse durch eine Fastenperiode eingeleitet.

Gelegentlich werden auch sportliche Aktivitäten durch ein- oder mehrtägige Minderungen der Nahrungsmittelzufuhr unterstützt.

Wesentlich seltener kommt es vor, dass Studentinnen des Internats schwer bestraft werden müssen, aber auch in diesem Fall ist der Hunger eine nützliche Unterstützung der übrigen pädagogischen Bemühungen. In besonders schlimmen Fällen müssen die jungen Frauen bis zu zwei Wochen vollständig auf jede Nahrung verzichten. Die übrigen Strafen empfinden sie dann umso heftiger. In solchen Fällen kann den betroffenen Schutzbefohlenen zudem auch noch bis zu drei Tage am Stück jedes Getränk, selbst das Anfeuchten der Lippen verweigert werden!

Susanne hat nichts von alledem getan. Trotzdem muss sie eine Woche auf jedes Essen verzichten. Der Grund ist ein ganz banaler: Susanne hat sich hingesetzt, ohne den Bauch einzuziehen. Alle Angehörigen der harten Zucht, und somit auch Susanne, sind so abgemagert, dass die Bauchdecke einwärts (konkav) gewölbt ist. Wenn sie sich hinsetzen, darf sich keine Falte nach außen bilden. – Natürlich bilden sich beim Hinsetzen immer Falten auf dem Bauch, aber wenn man den Bauch im richtigen Moment anspannt und nach innen zieht, wandert auch die Falte nach innen. Die Angehörigen der harten Zucht lernen es von klein auf. Schläge auf den (flachen) Bauch und – wieder einmal – Essensentzug bilden die Grundlage dieser Dressur. Die meisten Studentinnen aus der harten Zucht können sich schon gar nicht mehr anders hinsetzen; es ist automatisiert. Susanne hat vorgestern nicht aufgepasst. Schon rutschte ein Stück Hautfalte nach außen. In diese Hautfalte gekniffen zu werden, war nicht das Schlimmste. Der Schmerz ließ bald nach. Aber eine Woche ohne Essen auszukommen, schließlich sei man ja „zu fett“, ist für eine junge Frau mit einem BMI von knapp unter dreizehn, sechs Stunden hartem Sporttraining täglich und schwerer, körperlich Arbeit zusätzlich zum „normalen“ Schulunterricht (soweit am Internat irgendetwas normal ist) einfach nicht durchzustehen.

Zu allem Überfluss wurde die Nachtruhe halbiert. Angehörige der harten Zucht müssen in jeder dritten Nacht für anfallende Tätigkeiten zur Verfügung stehen. Schlafen dürfen sie im Regelfall nur in zwei von drei Nächten und dann auch nur vier Stunden pro Nacht. Susanne darf jetzt nur in jeder dritten Nacht ihr Bett aufsuchen. Zusätzlich zur üblichen Nachtarbeit wurden Ballettlektionen, Gymnastikstunden und „Haltungstraining“ angeordnet, um dem „Hüftspeck“ zu Leibe zu rücken. Wenn Susanne es nach einer Woche schafft, sich „korrekt“, also ohne sichtbare Falte, hinzusetzen, bekommt sie in der zweiten Woche wieder etwas zu essen: Sie darf dann wieder ihr Frühstück zu sich nehmen. Und nur eine zweite Woche später ist dann auch das Mittagessen wieder drin; alles natürlich nur unter der Voraussetzung, das alle beteiligten Sportlehrer und Trainer der nächtlichen Sonderstunden ihr große Fortschritte beim Verbrennen ihres „überflüssigen Körperfetts“ attestieren. Ist nur einer der nächtlichen Folterknechte nicht mit ihren Anstrengungen völlig zufrieden, gehen die durchwachten, durchturnten, durchtanzten Nächte in die dritte Woche, während Susanne immer mehr der so notwendige Schlaf fehlen wird.

Harte Zucht und Erholung schließen sich gegenseitig aus.



__________________
SVVM CVIQUE

Last edited by Ludwig55; 07-29-2018 at 12:46 PM.

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Tags
harte_zucht, hunger, internat

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